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Übertreibung bis zur Unwahrheit /// Das Gebot der Anhörung

Übertreibung bis zur Unwahrheit /// Das Gebot der Anhörung

11.07.2014 Zwei aktuelle Stellungnahmen des Schweizer Presserats


Übertrieben bis zur Unwahrheit - Titel und Vorspann müssen dem Artikelinhalt entsprechen

(Stellungnahme 11/2014: Lüscher c. «Le Temps»)

Die welsche Tageszeitung «Le Temps» berichtete im Dezember 2013 über das Verkaufsangebot einer Wohnung, die dem freisinnigen Genfer Nationalrat Christian Lüscher gehört. Ausgeschrieben war sie auf der Homepage einer Genfer Immobilienfirma. Die Zeitung schrieb, ein Interessent erachte die ihm unterbreiteten Verkaufskonditionen als problematisch. Der Artikel brachte die Version dieses potentiellen Käufers, Lüschers Antwort und die Sicht des Eigentümers der Immobilienfirma, die das Angebot ausgeschrieben hatte.

Nationalrat Lüscher reichte darauf beim Schweizer Presserat Beschwerde ein: Der Titel des Artikels («Christian Lüscher ruse avec les lois sur le logement» - Christian Lüscher trickst mit den Wohnungsgesetzen) verletze die Wahrheitspflicht. Zudem widersprächen sowohl Titel wie Vorspann dem eigentlichen Artikel.

Der Presserat gibt Lüscher nun in diesen beiden Punkten recht. Die Übertreibung im Titel rechtfertige sich nur, wenn sie im folgenden Text rasch differenziert werde - was hier nicht der Fall war. Auch der Vorspann gab die Fakten im Text nicht exakt wieder. «Le Temps» hat deshalb die Pflicht zur Wahrheit nicht vollständig respektiert. Die weiteren Vorwürfe gegen die Zeitung, sie habe wichtige Informationen unterschlagen und anonyme Anschuldigungen erhoben, erachtet der Presserat als nicht gerechtfertigt.

Arzt im Mediengewitter: Den Kritisierten anhören

(Stellungnahme 12/2014 Bettschart c. «Le Nouvelliste»)

Darf eine Zeitung darauf verzichten, eine Person zu Wort kommen zu lassen, gegen die sie schwere Anschuldigungen erhebt? Nein, meint der Presserat. Selbst wenn sie deren Vorgesetzte befragt hat und einige Wochen nach den Artikeln über die Stellungnahme dieser Person bei einer Pressekonferenz berichtete, kann sie nicht darauf verzichten. Das Gebot der Anhörung bei schweren Vorwürfen ist in jedem Fall zu respektieren.

Im August 2013 publizierte die Walliser Zeitung «Le Nouvelliste» zwei kritische Artikel über Vincent Bettschart, Arzt am Spital Sion. Darin berichtete sie über den Tod mehrerer Patienten nach Operationen von Bettschart. Die Informationen für den ersten Artikel stammten aus dem Satireblatt «Vigousse». Im zweiten Artikel berichtete «Le Nouvelliste» über einen neuen Todesfall nach einer Operation und zitiert im Wesentlichen anonyme Quellen. Bettschart gelangte an den Schweizer Presserat. Er sah mehrere Prinzipien des Journalistenkodex verletzt: die Wahrheitspflicht, Quellenbearbeitung, Anhörung bei schweren Vorwürfen und die Unschuldsvermutung.

Der Presserat hält in seinem Entscheid fest, dass «Le Nouvelliste» die verfügbaren Informationen korrekt behandelt hat, indem er versuchte, diese zu überprüfen. Anonyme Quellen zu nennen war angesichts des zerrütteten Klimas innerhalb des Gesundheitsnetzes Wallis, dessen jüngste Geschichte von Vorfällen und Skandalen geprägt ist, gerechtfertigt. Der Presserat erinnert daran, dass eine Zeitung nicht verpflichtet ist, die ganze Vorgeschichte einer Affäre, die regelmässig von sich reden macht, zu wiederholen. Sie darf auch den Namen einer bekannten Persönlichkeit wie Vincent Bettschart nennen. Denn der Arzt war ja Thema des Artikels.

Hingegen hätte «Le Nouvelliste» den Beschwerdeführer zu den schweren Vorwürfen anhören müssen oder dies zumindest versuchen. Die Redaktion kann sich weder darauf berufen, sie habe den Präsidenten des Verwaltungsrats und die zuständige Regierungsrätin befragt, noch darauf, sie habe Bettschart einige Wochen darauf zu Wort kommen lassen.

ots

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