ANDREA BÜTTNER: "GESAMTZUSAMMENHANG"
12.03.2017 Ausstellung in der Kunsthalle St.Gallen, bis am 7. Mai 2017
Bild: Andrea Büttner, Beggar, 2016, Courtesy: die Künstlerin; Hollybush Gardens, London; David Kordansky Gallery, Los Angeles, Photo: Lee Thompson
Andrea Büttner mit David Raymond Conroy und
Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin
Die künstlerische Praxis Andrea Büttners (*1972/D, lebt in London und
Frankfurt) ist vielfältig und schafft ein Spannungsfeld zwischen Ethik und
Ästhetik, Subjektivität und Kultur.
Mit unterschiedlichen Medien wie Holzschnitten, Skulpturen, Textilarbeiten oder Videoinstallationen verhandelt Büttner Themen wie Wertzuschreibung, Armut oder Scham.
Für ihre erste institutionelle Präsentation in der Schweiz erweitert Büttner die Einladung der Kunst Halle Sankt Gallen: Ihre Werke treten einerseits in Beziehung zu einer von der Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin konzipierten Ausstellung über Simone Weil.
Andererseits ergänzt David Raymond Conroys Film (You (People) Are All The Same) das inhaltliche Spektrum. «Gesamtzusammenhang» vereint künstlerische und nicht-künstlerische Fragen, die sich um Humanität in Verbindung mit Arbeit, Gemeinschaft oder Glauben drehen.
Andrea Büttner interessiert sich in solchen ethischen und ästhetischen Auseinandersetzungen für Kippmomente. Die Künstlerin arbeitet mit Holzschnitten und zeigt religiöse und symbolisch aufgeladene Motive. Sujets wie tanzende Nonnen, Himmel, Bettler, Münzen, Kartoffeln oder Sätze wie 'I want to let the work fall down' oder 'Yes, I believe every word you say' fordern zeitgenössische Erwartungen heraus, ebenso das Medium Holzschnitt. Die jahrhundertealte Technik kommuniziert direkt und einfach, behält aber eine künstlerische Aura des Gemachtseins bei. Daneben fügt Büttner der Ausstellung architektonische Interventionen hinzu - bespannte Panels aus Textilien, die eigentlich für Arbeitskleidung verwendet werden.
Im Rückgriff auf bestehende Bildformeln oder kulturell
konnotiertes Material stellt Büttner auch die Frage nach der moralischen
Dimension von Appropriation. Eine Frage, die sich auch im Miteinbezug der
Ausstellung über Simone Weil und in Conroys Film stellt. Der Filmemacher
problematisiert in (You (People) Are All The Same) den 'Künstler als
Beobachter des Anderen' und inwiefern gute Kunst und gute Gesten korrelieren.
Sein Werk reflektiert den Entstehungsprozess eines Filmes über Obdachlose in
Las Vegas, in dem sich Conroy mit den Möglichkeiten ehrlicher Produktion von
Kunst konfrontiert.
Die Humanisierung der Arbeit, die Würde des Menschen, Wärme und Mitgefühl interessieren Büttner nicht nur in den eigenen Werken und Conroys Film, sondern auch im Denken und Handeln der Philosophin Simone Weil. Dafür leiht Büttner für «Gesamtzusammenhang» eine bestehende Ausstellung der Friedensbibliothek/Anti-kriegsmuseum Berlin über Weil aus. Während der DDR unter der Obhut der Evangelischen Kirche gegründet, war die Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin mit ihren mobilen Ausstellungen Teil einer Widerstandsbewegung: inhaltlich durch regimekritische Akzente und aufgrund der sozialen Vernetzung. Durch diese integrierte Ausstellung entstehen Fragen zur Effizienz von Botschaften und ihren Displays. Büttner überprüft damit auch ihre eigene Kunst in der direkten Konfrontation mit ästhetischen Praktiken, die ihrer eigenen zugleich nah und entfernt sind.
In «Gesamtzusammenhang» wird das Individuum dem gerechten Zusammenleben und
einer Diversität von Handlungs- und Vermittlungsmöglichkeiten entgegengesetzt.
Dabei verschiebt Büttner das Augenmerk von punktuellen Themen zu übergeordneten
Fragen: Humanität wird in ihrer philosophischen, religiösen, künstlerischen und
politischen Dimension angegangen.
khs
Kontakt:
http://www.kunsthallesanktgallen.ch/de/ausstellungen/aktuell.html