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"BALLY MONSIEUR – DER HERRENSCHUH SEIT 1851"

"BALLY MONSIEUR – DER HERRENSCHUH SEIT 1851"

27.12.2019 Ausstellung BALLYANA - Sammlung Industriekultur in Schönenwerd. Die Sonderschau dauert bis mindestens Ende 2020. Das Museum ist jeden ersten und dritten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Gruppenführungen auf Voranmeldung sind jederzeit möglich.*


bally monsieur

Bilder oben: © http://www.ballyana.ch/

Von Oxford, Derbys und Loafern

Erstmals in der Schweiz zeigt das Museum Ballyana in Schönenwerd in einer Sonderschau die Entwicklung des Bally-Herrenschuhs von 1851 bis heute. Die spannende Reise durch weit über 100 Jahre Schuh-, Mode-, Technik- und Werbegeschichte birgt auch überraschende Erkenntnisse. Welches Schuhwerk trägt der modebewusste Herr in den 1920er-Jahren? Seit wann gibt es den "klassischen" Herrenschuh? Warum waren die Bally-Herrenschuhe mitten in der Wirtschaftskrise am fantasievollsten? Mit welchen Werbemitteln bringt Bally seine Modeschöpfungen "an den Mann"? Und welche Schuhe kauft man(n) heute bei Bally?

Antworten auf diese und zahlreiche weitere Fragen rund um den Herrenschuh gibt die neue Ausstellung im Museum Ballyana in der ehemaligen Bally-Metropole Schönenwerd. Das Museum dokumentiert seit bald zehn Jahren fast zwei Jahrhunderte Bally-Industriegeschichte und ist heute in der Lage, dank der Zusammenarbeit mit dem grossen Archiv der Bally Schuhfabriken AG, das sich ebenfalls in Schönenwerd befindet, eine exklusive Herrenschuh-Schau zu präsentieren. Diese Zusammenarbeit der beiden Institutionen bildet eine Premiere, die Sonderschau im Ballyana ebenfalls: Bisher hat es noch nirgends etwas in dieser Art gegeben.

Inspiration in Paris

C. F. Bally, der Gründer der schweizerischen Schuhindustrie, begann 1851
 ohne jede Sachkenntnis draufloszuschustern, zusammen mit rund 30 meist deutschen Schuhmachern. Die Idee dazu war dem erfahrenen Fabrikanten von Elastic-Gewebe und Bändern aller Art bei einem Aufenthalt in Paris gekommen,
 als er dort die Manufaktur eines Bekannten besuchte. Wenig später sah 
er in einer Ostschweizer Manufaktur, wie ein Schuster Elastic-Einsätze in Bottinen verarbeitete. Das nannte er einen "Kapitalfund". Die Idee, Schuhe mit elastischen Einsätzen zu fabrizieren, war geboren. Aber der Start 
verlief nicht gut: Die vorerst einfachen und billigen Schuhe fanden kaum Anklang. Doch C. F. Bally konnte dank seines erfolgreichen Elastic-Geschäfts durchhalten und weitermachen. Der Erfolg mit den Schuhen stellte sich erst zwei Jahrzehnte später nach einem Export-Umweg über Südamerika ein.
 Dann ging es rasant aufwärts: Bally mechanisierte die Produktion, Qualität und Preise stiegen, die Paarzahlen schnellten empor, und um 1900 war Bally die grösste Schuhfabrik der Welt geworden, ein durchorganisierter Betrieb mit etwa 3'500 Mitarbeitenden, die um die 7'000 Paare pro Tag produzierten. Das schnelle Wachstum setzte sich während des Ersten Weltkriegs fort, da Bally an die kriegführenden Mächte beider Seiten zivile Schuhe liefern konnte. 1917 betrug die Beschäftigtenzahl 7'500, täglich verliessen bis zu 15'000 Paar die Fabriken.

Erste Modetrends

Ballys erste Schuhe sind nicht erhalten. Vermutlich waren alle frühen Schuhe mit Elastic-Einsätzen versehen. Das bis etwa 1900 natürlich gegerbte Leder war zwar gut haltbar, aber steif und eher unansehnlich. Das änderte sich mit der Einführung des chromgegerbten Leders, das die modischen Schuh-Modelle erst ermöglichte. Die Bottine blieb vorerst das dominierende Grundmodell, das nun aber ab etwa 1910 zusehends eleganter und variantenreicher gestaltet werden konnte, etwa mit Schaftteilen aus Stoff, dekorativen Knöpfen oder modernen Schnallenverschlüssen.

Kurz: Nach und nach begann Bally, auch bei den Herrenschuhen Modeströmungen aufzunehmen und sukzessive neue ausländische Märkte zu erschliessen, nicht zuletzt mit dem Einstieg in den Verkauf in eigenen Schuhgeschäften.

Der Klassiker wird geboren

Nicht nur das: In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entwickelten die Schuhfabrikanten einen Halbschuh-Typ, der sich bis heute gehalten hat: den klassischen Herrenschuh. Das ist eine einmalige Erscheinung in der Design-Geschichte: Aller weltpolitischen Umbrüche und Revolutionen des 20. Jahrhunderts zum Trotz ist die Grundform des klassischen Herrenschuhs bis heute praktisch unverändert geblieben - ganz im Gegensatz zu den Damenschuhen. Ein Phänomen, über das bis heute noch nie nachgedacht worden ist. Der klassische Herrenschuh war von Anfang an sehr modern: zeitlos, elegant, von bester Qualität, bequem und gut funktionierend, nie langweilig. Ein Schnürschuh mit etwa fünf Ösen, eher tiefem Absatz, genannt Oxford oder Derby, mit Dekorationen (Brogue) oder ohne, meist Captoe (zehendeckend). Die Schuster begannen ihre eigene Sprache zu entwickeln oder zu verfeinern.

Krieg und Aufschwung

Im Zweiten Weltkrieg konnte Bally kaum mehr Schuhe exportieren, Leder war kaum mehr zu bekommen und extrem teuer. Bally versuchte, mit Ersatzstoffen wie Filz, Segeltuch 
und Sohlen aus Holz, Gummi oder Kork die Produktion aufrecht zu erhalten. Erst ab 1950 ging
 es wieder aufwärts, dann allerdings kräftig. 1951 feierte Bally mit Pauken und Trompeten plus wirkungsvollem Marketing das 100. Firmenjubiläum, und 1960 konnte das Schweizer Stammhaus den Gewinn verdoppeln.

Die Nachkriegsmode aber war vorerst maskulin und solid, der Geschmack der Zeit konservativ, Innovationen und Experimente waren nicht (mehr) gefragt. Erst die 1960er-Jahre brachten wieder elegant-leichte Modelle hervor. Star dieser Epoche wurde der Schlüpfschuh, der Loafer, den Bally in zahllosen Varianten erfolgreich verkaufte, inspiriert von der italienischen Konkurrenz.

Daneben gab es aber auch immer wieder Experimente und Modetrends: In den 1960er-Jahren war lang und spitz angesagt, in den -70ern dann breit und eher klobig. Schon in den 1950er-Jahren lancierte Bally für die feinste Linie klassischer Modelle die Marke Scribe, stets rahmengenäht und von höchster zeitloser Eleganz. Überhaupt bot Bally vermehrt neben einfachen Modellen auch Hochelegantes; im Preissegment rutschten die Modelle immer weiter nach oben. Was zeigt, dass Bally-Schuhe erst im Laufe der Zeit zum Luxusprodukt wurden.

Krise und Kreativität

Die "ultimative Zeit der Kreativität" (Ballyana-Präsident Philipp Abegg) war bei Bally aber ausgerechnet die Zeit der grossen Wirtschaftskrise zwischen den beiden Weltkriegen. Zuerst aber ging es abwärts: Die Krise nach dem Ersten Weltkrieg erfasste auch Bally: erstmals nach dem rasanten Wachstum schrieb man Verluste; ein verarmtes Europa, Zölle und harte Konkurrenz machten der Firma zu schaffen. Bally musste in den 1920er-Jahren rund ein Drittel seiner ganzen Belegschaft, also um die 2'500 Menschen, entlassen.

Dass ausgerechnet die Zeit der grossen Krise bei den Bally-Schustern ungeahnte Kreativität freilegte, ist ebenfalls noch nicht ausgeleuchtet worden. Als Gründe kommen in Frage: Bally verfügte über einen bestens funktionierenden Produktionsapparat und schuf zudem eine hochprofessionelle zweite Führungsebene. Eine Fülle neuer und innovativer Modelle wurde geschaffen, offenbar inspiriert durch den offenen Geist der Moderne. Freizeit und Weekend wurden für den gepflegten Herrn allmählich immer wichtiger. Sogenannte Spectators, mehrfarbige und sehr elegante Schuhe, wurden sehr beliebt und öffneten den Bally-Créateuren ein weites Feld.

Mit solchen Modellen erreichte Bally den Gipfel an Kreativität und schuhmacherischen Fertigkeiten: Ziernähte, Schlitze, Ledergeflechte und vieles mehr zeugten nunmehr weltweit vom Können der Bally-Schuster. In diesen Krisenjahren war der Preis besonders wichtig, was mit der Schaffung der Untermarke Bally Economic seinen Ausdruck fand. Erstmals warb Bally jetzt auch mit den Preisen. In dieser Zeit begann man auch mit der Produktion von Berg- und Skischuhen, seit 1914 auch mit Militärschuhen für die Schweizer Armee.

Verlust der Selbständigkeit

Doch nach und nach zeigten sich bei Bally auch Probleme: Ein schwieriger Generationenwechsel im Management, Mühe mit der Anpassung an neue Trends und vor allem die günstigere und vorwiegend ausländische Konkurrenz setzten der Firma schwer zu. 1976 kam es zur Übernahme: Der bisher unbekannte Financier Werner K. Rey erwarb überraschend die Aktienmehrheit, die er ein knappes Jahr später an Oerlikon Bührle weiterverkaufte. 1999, nach einem harten Sanierungsprogramm durch Bührle, erwarb die texanische Private Equity-Gesellschaft TPG den Traditionskonzern. Der neue Eigentümer schloss alle Produktionsbetriebe in der Deutschschweiz und verlegte den Bally-Hauptsitz nach Caslano/TI. Seit 2008 gehört Bally der deutschen JAB-Gruppe. 2018 wurde bekannt, dass der chinesische Textilkonzern Shandong Ruyieine die Mehrheit an Bally übernehmen will. Bis heute ist der Schritt indessen juristisch nicht vollzogen, sodass die Eigentumsverhältnisse an Bally weiterhin in der Schwebe bleiben.

Forschungslücke

Die ganze modisch-schuhtechnische Entwicklung wird in der Ballyana-Ausstellung mit vielen teils noch nie gezeigten Modellen hautnah dokumentiert. Die kabinettartig und farbenreich gestaltete Schau, konzipiert von Jürg Brühlmann mit seinem Design Studio Spinform, wird vor allem mit Werbeplakaten und auch mit ausgewählten zeitgebundenen Musikbeispielen ab Hörer illustriert und untermalt.

Es gibt bei dieser Ausstellung einen weiteren wichtigen Aspekt: Wie Alexis Schwarzenbach, Professor für Designgeschichte und Projektleiter Forschung an der Hochschule Luzern, an der Vernissage betonte, besteht beim Thema Herrenschuh eine ausgeprägte Sammlungs- und Forschungslücke, ganz im Gegensatz zum Bereich des Damenschuhs. Obwohl die halbe Menschheit, eben die Herren, mit industriell gefertigtem Schuhwerk herumläuft, gibt es praktisch keine wissenschaftliche Arbeiten dazu. Die Hochschule Luzern und die Stiftung Ballyana werden deshalb mit einem gemeinsamen Projekt diese Lücke zu verkleinern suchen.

Bally heute

Heute zeigt sich Ballys grosses Erbe in aktuellen Redesigns und Retromodellen. Die Bally-Designer nutzen das Firmenarchiv in Schönenwerd und das firmeneigene Bally-Schuhmuseum als Inspirationsquelle. Bally lanciert Kampagnen mit Starfotografen und Kollektionen in Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern.

cp

Kontakt:

* ballyana@ballyana.ch | Telefon 062 849 91 09

http://www.ballyana.ch/ausstellung/

Zum Bally-Schuhmuseum:

https://www.schoenenwerd.ch/sehenswertes/16250

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Foto: © Spinform AG

 

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