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"BRIGITTE KOWANZ – LOST UNDER THE SURFACE"

"BRIGITTE KOWANZ – LOST UNDER THE SURFACE"

08.02.2020 Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv, Zürich, bis am 10. Mai 2020


Bild: Brigitte Kowanz, Connect the Dots, 2018. Collection Museum Haus Konstruktiv. Donation Häusler Contemporary Zurich

Das Museum Haus Konstruktiv würdigt die österreichische Künstlerin Brigitte Kowanz (geb. 1957 in Wien, lebt und arbeitet in Wien) mit einer umfangreichen Einzelausstellung. Die retrospektiv angelegte Schau zeigt, wie Kowanz seit den 1980er-Jahren das Medium Licht als eigenständiges Phänomen und als Informationsträger erfahrbar macht.

Licht ist nicht gleich Licht. Das wird an den Objekten, Installationen und Rauminterventionen erkennbar, die Brigitte Kowanz seit gut vierzig Jahren unter Verwendung unterschiedlicher Leuchtmittel fertigt. Wie vielfältig das immaterielle, flüchtige Medium sein kann, zeigt Kowanz in ihrer umfassenden Ausstellung.

Zur Verwendung von Licht als künstlerischem Medium findet Kowanz unter anderem durch die kritische Auseinandersetzung mit dem konventionellen Bild- und Malereibegriff. Mit dem Ziel, diesen zu überschreiten, beginnt die Künstlerin um 1980, nach Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, mit transparenten Bildträgern und selbstleuchtenden Pigmenten zu experimentieren. Gemeinsam mit dem Künstler Franz Graf bemalt sie Leinwände und Papiere beidseitig mit phosphoreszierender und fluoreszierender Farbe. Frei in den Raum gehängt und mit Tages- oder Schwarzlicht beleuchtet, entfalten sie changierend leuchtende Szenarien, die die Stabilität und Hermetik konventionell gemalter Bilder aufbrechen und ein integratives Verhältnis von Werk, Raum und Betrachterin schaffen.

Diese Vermittlung zwischen Bildraum und realem Raum durch Licht bildet eine Konstante in Kowanz' künstlerischem Schaffen. So kennt ihr Œuvre denn auch keine strikt voneinander trennbaren Werkphasen, in denen ein Werkstoff den nächsten ablöst. Vielmehr nimmt sie über die Jahre gewisse Leuchtmittel, Techniken, Formen und Formulierungen wieder auf und denkt sie weiter. Dementsprechend ist die Ausstellung im dritten und vierten Stock des Museum Haus Konstruktiv weder chronologisch noch thematisch gegliedert, sondern als atmosphärisch stimmiges Mit- und Nebeneinander repräsentativer Werke aus den vergangenen vier Jahrzehnten arrangiert.

Die frühesten Arbeiten in der Ausstellung, in denen insbesondere Prozesse des Beleuchtens Thema sind, stammen aus den späten 1980er-Jahren. Dazu gehören drei quadratische, weiss bemalte, an der Wand platzierte Paneele von 1988, auf denen mit Fluoreszenzpigment gefüllte Leuchtstofflampen linear oder kreisförmig angeordnet sind. Das kühle Leuchten dieser scheinbar schwebenden Wandobjekte taucht Raum und Betrachter in bläuliches Licht und schafft ein Raumszenario, in dem das traditionelle Verhältnis von Kunstwerk und Beleuchtung neu verhandelt wird.

Zahlreiche Werke aus den Folgejahren lassen erkennen, wie Kowanz zunehmend Sprache in ihr Schaffen einbezieht. Das gilt zum Beispiel für Licht ist was man sieht, eine in den 1990er-Jahren entstandene Werkserie aus Mehrfachsteckern und darin eingelassene Glimmlampen. Die orangenen Leuchtkörper benennen den Titel der Arbeit in verschiedenen Sprachen: von Deutsch über Englisch bis hin zu Italienisch und Mandarin. Zum einen erklärt Sprache so die Funktionsweise von Licht, zum anderen beleuchtet Licht die Strukturen der jeweiligen Sprache. Auf diese Weise bringt Kowanz die komplexe Wechselwirkung von Licht und Sprache auf den Punkt.

Um die Wechselwirkung von Licht und Information geht es auch in den beiden Arbeiten Lichtgeschwindigkeit sek/4m und Speed of Light sec/1m. Wie die Titel verdeutlichen, gilt das Augenmerk hier der Tatsache, dass Licht nicht einfach da ist, sondern "reist". Wegen seiner enorm hohen Geschwindigkeit ist dies allerdings nur schwer zu veranschaulichen. Kowanz löst dieses Problem, indem sie mit den Objekten die Sekundenbruchteile beziffert, die das Licht naturgemäss benötigt, um die Länge von vier bzw. einem Meter zu durchqueren.

Neben diesen vergleichsweise leicht entzifferbaren Botschaften bezieht Kowanz, die seit 1997 die Professur für Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien innehat, auch codierte Botschaften in ihre Szenarien ein. Die Arbeit Idea besteht aus den vier Ziffern 9, 4, 5 und 1, die auf vier Säulen des grosszügigen Ausstellungsraums im dritten Stock verteilt sind. Wer nachzählt, wird bemerken, dass die Ziffern die jeweilige Position des entsprechenden Titel-Buchstabens im Alphabet bezeichnen: I ist der neunte, D der vierte, E der fünfte und A der erste Buchstabe des Alphabets. Auf diese Weise setzt sich Kowanz kritisch mit ihrer eigenen Arbeit auseinander: Licht ist eben doch nicht immer das, was man sieht. Oder anders gesagt: Licht und Luzidität der Ideen sind nicht bedingungslos aneinandergekoppelt. Manchmal hüllt Licht bei Kowanz Information in einen Schleier - und hinterfragt Gewissheiten in der Tradition der Aufklärung (englisch: enlightenment) über den Zusammenhang von Licht und Erkenntnis.

Der Code, der in Kowanz' künstlerischer Praxis am häufigsten zur Verwendung kommt, ist der Morsecode. Ihn hat Kowanz in den letzten Jahren unter anderem in Anspielung auf wichtige technikhistorische Ereignisse eingesetzt, zum Beispiel in der Arbeit www 12.03.1989 06.08.1991. Ursprünglich für den österreichischen Pavillon auf der 57. Biennale von Venedig entwickelt, wird das Werk - eine geschlungene, zwischen halbtransparenten Spiegeln eingefasste Neonschlaufe mit Morsezeichen - nun in reduzierter Form im dritten Stock präsentiert. Die Morsezeichen, entstanden durch abgedunkelte Abschnitte der Neonröhre, bezeichnen zwei entscheidende Daten in der Geschichte des Internets: die Vorstellung des Konzepts für das World Wide Web im CERN und den Tag, an dem es der Öffentlichkeit verfügbar gemacht wurde. Bemerkenswert erscheint der Umstand, dass Kowanz' Arbeit die Idee eines virtuellen Raums (des Internets) gewissermassen "erdet". Verborgen hinter Chiffren wie WWW oder Internet stehen Orte und Momente, in denen das Virtuelle wortwörtlich in die Welt kam - und seither den Erdball als technische Infrastruktur überzieht, vergleichbar mit den Kabeln der Morsetelegrafie.

Ob künstlerisches Werkzeug, Medium für Information, Mittel zur Verschleierung oder ephemeres Phänomen: Die vielfältigen Aspekte und Funktionsweisen von Licht, die bei einer flüchtigen Betrachtung schnell unter der leuchtenden Oberfläche verloren gehen, werden in der Ausstellung Lost under the Surface, die ihren Titel der gleichnamigen kleinformatigen Spiegelarbeit verdankt, erklärt und sinnlich erfahrbar gemacht.

Kuratiert von Sabine Schaschl

hkz

Kontakt:

https://www.hauskonstruktiv.ch/

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