"Der Himmel brennt am Horizont" - Kunst in der Ostschweiz im Banne des 2. Weltkriegs
14.01.2015 Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau, vom 17. Januar bis am 30. August 2015
Bild: Adolf Dietrich: Abend am See, 1939
Kriegszeiten treffen Künstler hart. Wer denkt schon an Kunst, wenn das Leben existentiell bedroht ist?
Auch wenn die Schweiz während des 2. Weltkriegs von Kampfhandlungen weitgehend verschont blieb, war die Situation für die Bevölkerung nicht einfach. Nahrungsmittelknappheit, Flüchtlingsströme aber auch die unsichere Nachrichtenlage bestimmten den Alltag im Land.
Künstlerinnen und Künstler reagieren in ihrem Schaffen, aber auch in ihrem alltäglichen Verhalten ganz unterschiedlich auf besondere Situationen. Die Ausstellung "Der Himmel brennt am Horizont" wirft ein Schlaglicht auf die Zeit und zeigt auf, wie Kunstschaffende mit der schrecklichen Wirklichkeit des nahen Kriegs umgingen.
Der Ausstellungstitel ist einem Landschaftsbild von Adolf Dietrich
entlehnt. Bei der 1939 entstandenen Abendstimmung schweift der Blick über den
Untersee. Der Himmel ist fast schwarz. Nur über dem deutschen Ufer scheint der
Horizont in Flammen zu stehen. Selbst wenn Dietrich lediglich eine winterliche
Gewitterstimmung malte, so liegt es nahe, den gleissenden Himmel als ein Fanal
für kommenden Schrecken und Zerstörung zu lesen. Das zerstörende Feuer ist
bedrohlich nahe, gleich hinter der Grenze. Es verheert die nachbarschaftlichen
Landstriche und niemand weiss, ob und wann es überspringt.
Dietrich malte dieses Bild schon im Frühjahr 1939, noch vor dem eigentlichen Kriegsausbruch im September. Schon zu diesem Zeitpunkt war die heraufziehende Katastrophe für jeden aufmerksamen Zeitgenossen erahnbar.
Im Werk vieler
Künstlerinnen und Künstler spiegelt sich direkt oder indirekt die bedrohliche
Stimmung. Hedwig Scherrer oder Frans Masereel engagierten sich mit ihren Werken
schon vor dem Ausbruch des Kriegs gegen den sich abzeichnenden Wahnsinn. Robert
Wehrlin, der den Krieg in einem Aussenbezirk von Paris überlebte, reagierte in
Zeichnungen, grafischen Blättern und Gemälden ganz direkt und bissig auf die
kriegerischen Ereignisse: sein Glück, dass diese Werke bis Kriegsende niemand
sah! Ernst Graf verarbeitete in seinen Aquarellen die Schrecken des
Flüchtlingselends und die Zerstörung des Menschbilds durch den Krieg.
Nicht bei allen Künstlerinnen und Künstlern zeigte sich eine unmittelbare
inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kriegsthema. Die Einschränkungen des
Alltagslebens und die Gedrücktheit der Stimmung fanden aber indirekt Eingang in
die Bilder.
Die Farbpalette des jungen Carl Walter Liners färbte sich während
des Kriegs dunkel und im Werk von Carl Roesch verschwanden die fröhlichen
Badebilder der Dreissigerjahre und machten Platz für behäbige Bauernmotive und
traditionelle Ausblicke in die nächste Umgebung.
Einen unmittelbaren Einblick in den Alltag der Schweizer Bevölkerung geben Fotografien von Hans Baumgartner und Theo Frey. Während Hans Baumgartner als Privater seine Eindrücke der Allgegenwart des Soldatischen oder aber in seiner Funktion als Lehrer intime Eindrücke des Alltags der Bevölkerung auf dem Land festhielt, war Theo Frey als Reporter mit offiziellem Auftrag der Armee unterwegs. In dieser Funktion dokumentierte er den sogenannten "Rütlirapport" aber auch die Flüchtlingsströme am Ende des Kriegs.
Karikaturen aus dem
Nebelspalter von Bö, dem Appenzeller Carl Böckli, sowie eine Serie von Porträts
von wichtigen Persönlichkeiten aus der damaligen Kulturwelt von Ernst Emil
Schlatter runden das Bild des Ostschweizer Alltags in den Kriegsjahren ab.
Die Ausstellung "Der Himmel brennt am Horizont" ist mehr Stimmungsbild denn
Dokumentation. Sie will und kann keinen umfassenden Überblick geben, sondern
lässt anhand von Einzelpositionen aus der Ostschweiz lediglich aufscheinen, wie
diffus und schwierig die Zeit damals gewesen sein muss.
Ihre Aktualität erhält die Ausstellung dadurch, dass viele Themen - der Krieg am Horizont unserer Wahrnehmung, die Flüchtlingsströme, die Frage nach der Identität des Schweizerischen - wenngleich in veränderten Dimensionen bis heute nichts an Brisanz verloren haben.
kmt
Kontakt:
http://www.kunstmuseum.ch/xml_1/internet/de/application/d8/f115.cfm?action=ausstellung.show&id=100