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"JÜRG STÄUBLE – MEHR SEIN ALS SYSTEM"

"JÜRG STÄUBLE – MEHR SEIN ALS SYSTEM"

02.07.2017 Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv in Zürich, bis am 3. September 2017


Bild: Jürg Stäuble - Räumliche Konstruktion, 1972, Sammlung Museum Haus Konstruktiv, http://www.hauskonstruktiv.ch/media/18EA16CF-155D-C846-01F758D684E68745/Juerg_Staeuble_Werk_1%20v234543379.jpg

Das Museum Haus Konstruktiv präsentiert in einer umfassenden Retrospektive das fast 50-jährige, im Umfeld von Minimalismus, Land Art und Konzeptkunst angesiedelte Schaffen des Schweizer Objektkünstlers, Bildhauers und Zeichners Jürg Stäuble (geb. 1948 in Wohlen, Aargau; lebt und arbeitet in Basel).

Obgleich seine zweidimensionalen Werke und Reliefs, seine Skulpturen, Installationen und architektonischen Interventionen aus geometrischen Ordnungssystemen und Konstruktionszeichnungen hervorgehen, entspricht Stäubles Ansatz nicht dem eines streng konstruktiven Künstlers. Die Geometrie ist für ihn nur ein Ausgangspunkt oder Weg, nicht das Ziel. Die zugrunde gelegten Konstruktionsprinzipien sind für die Betrachtenden selten einfach zu entschlüsseln.

Indem Stäuble das Spannungsfeld zwischen rationaler Konstruktion und irrationaler Erscheinungsweise auslotet, gelangt er zu Resultaten, die die Gestaltungskräfte der Natur reflektieren, ohne sie nachzuformen.

Jürg Stäubles Arbeiten basieren auf geometrischen Konstruktionsprinzipien, die er zunächst in Zeichnungsserien anlegt, durch intuitive Eingriffe variantenreich modifiziert und in präzisen Bauplänen und Arbeitsmodellen räumlich weiterentwickelt. Dabei experimentiert er mit Durchdringungen, Überlagerungen, Reihungen, Torsionen und Verschiebungen geometrischer Körper und Flächen. In diesem Sinne sind seine oft in Werkgruppen durchdeklinierten Formfindungen keine Abstraktionen realer Gegenstände, sondern Konkretionen abstrakter Modelle. Dass diese wiederum Assoziationen an vertraute, naturhafte Gebilde wecken, ist ein willkommener Nebeneffekt.

Nach seiner Ausbildung zum Primarlehrer wechselte Jürg Stäuble 1970 an die Kunstgewerbeschule Basel, um Zeichenlehrer zu werden. Schon zwei Jahre darauf gab er dieses Berufsziel zugunsten seiner freien künstlerischen Arbeit auf.

Zwischen 1971 und 1974 entstanden zunächst geometrische und minimalistisch aufgebaute Landschaftsbilder in Öl, die einen hoch angesetzten, bildparallelen Horizont zeigten. In den kargen, menschenleeren Landschaften aus gestochen scharfen Liniengefügen auf achromatischen, wolkigen Fonds scheint er die Tiefe der leeren Bildräume bis an die Grenze der Horizontlinie zu vermessen.

Fast zeitgleich entstanden stilistisch vergleichbare Interventionen im Freien, zuerst mit Stangen und Linien in der steilen Alpenlandschaft, und kurze Zeit darauf, während eines Arbeitsaufenthalts an der kanadischen Küste, mit windbewegten Tüchern, die die gerade Horizontlinie des Meeres umspielen. Die fotografisch festgehaltenen Aktionen zeugen von Stäubles früher Auseinandersetzung mit Land Art, Arte Povera und Konzeptkunst, insbesondere mit den Werken des Briten Richard Long und des Niederländers Jan Dibbets.

In den Jahren 1975/1976 schuf Stäuble anhand vorbereitender Zeichnungsserien erste dreidimensionale Wand- und Bodenarbeiten, Rauminstallationen, in denen er einfache Abfolgen wie Faltungen, Biegungen, Drehungen und Schichtungen von harten Materialien wie Eisenblech und Stahl erprobte.

In dem Bestreben, den Betrachter stärker miteinzubeziehen, die Werke inhaltlich aufzuladen und ihre physische Präsenz zu steigern, brach er 1978 die formale Zurückhaltung der bisherigen Werke auf - mit Arbeiten und Installationen aus Spiegel- und Milchglas, Warnzeichen, duftenden Seifenstücken, Make-up, Eternit und Papier. So etwa bestückte er die Bodenkante eines Galerieraumes mit scharfkantigen Spiegelscherben, in denen sich das Publikum aus wenig schmeichelhafter Perspektive selbst betrachten konnte.

Jürg Stäuble bezeichnet diese Zeit als eine Umbruchphase, in der er sich ein Vokabular einerseits aggressiver und andererseits sinnlicher Ausdruckskraft erarbeitete, das - ebenso wie das gesteigerte Interesse an der Oberflächenbehandlung - auch in seine konzeptuelleren Arbeiten der 1980er- und 1990er-Jahre einfliessen konnte.

Mit postminimalistischen Werken kehrte Stäuble 1983 zu einer strengeren Formensprache zurück, das sinnliche Moment aber blieb: Ausgehackte Blechteile mit splittrigen Rändern und widerspenstig wirkende, gebogene Gitterstrukturen lassen die enorme körperliche Anstrengung erahnen, die der Künstler zu ihrer Bearbeitung aufwendete.

Ende der 1980er-Jahre folgte eine Phase von mit Grafit, Eisenglimmer oder schwarzem Asphaltlack beschichteten grossformatigen Objekten aus Karton, Sperrholz oder Flugzeugsperrholz. Ihre dunklen Volumina wirken kompakt und geschlossen, und sie oszillieren ebenso zwischen Geometrie und biomorpher Körperlichkeit wie die darauffolgenden, raumgreifenden Schlaufenformen der 1990er-Jahre.

Die in den Nullerjahren entstandenen, mäandernden Boden- und Wandgebilde aus MDF, deren Oberflächen mit glänzendem Auto- oder mattem Wandtafellack behandelt sind, besitzen eine ausgesprochen ornamentale Qualität und nehmen sich nachgerade wie architektonische Interventionen aus.

Um die eigenen Bearbeitungsmöglichkeiten zu erweitern, begann Stäuble vermehrt Baustoffe wie Styrofoam, Styropor und Jackodur in ihrer materialspezifischen Farbgebung zu verwenden. Ihre unterschiedliche Konsistenz und Oberflächenbeschaffenheit zog auch deutlich sichtbare Erweiterungen der Formensprache nach sich - eine weitere Etappe in Stäubles anhaltender Form- und Materialrecherche. Diese steht nicht zuletzt im Zusammenhang mit seinen zahlreichen Aufträgen, künstlerisch auf Architektur einzugehen.

Und so beweist Jürg Stäuble immer wieder, dass er selbst vermeintlich kunstfernen Industriematerialien wie Polyurethan, Polystyrol-Hartschaum, Perlmuttlack oder Zinkstaubfarbe (eigentlich ein Korrosionsschutzmittel), Sinnliches zu entlocken vermag.

Zur Ausstellung erscheint eine Monografie im Hatje Cantz Verlag, mit Texten (d/e) von Dominique von Burg, Beat Wismer und Isabel Zürcher sowie einem Gespräch zwischen Sabine Schaschl und dem Künstler.

Ausstellung kuratiert von Sabine Schaschl

hkz

Kontakt:

http://www.hauskonstruktiv.ch/

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