"Konstellation 8. MENSCHENBILDER"
12.03.2017 Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen, bis am 6. August 2017
Bild: Helen Dahm: Selbstbildnis mit Seifen, 1952, Hinterglasbild, 49 x 50.5 cm
Die Ausstellung «Menschenbilder» spürt mit Werken aus der Sammlung des Kunstmuseums Thurgau den unterschiedlichen Möglichkeiten nach, wie sich die Menschen ein Bild von sich machen. Vom grossbürgerlichen Porträt bis zur fotografischen Analyse von Gesicht und Körper spannt sich eine reiche Vielfalt an Vorgehensweisen, in denen sich immer auch eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Seins spiegelt.
Die Ausstrahlung eines Museums wird im Wesentlichen durch die Bestände seiner Sammlung bestimmt. Wechselausstellungen mit vielen Leihgaben vermögen zwar eine grosse Aufmerksamkeit zu erzeugen, aber es sind die Kernbestände der Sammlung, die das ausmachen, was die Sicht des Publikums langfristig prägt.
Die Sammlung
des Kunstmuseums Thurgau umfasst Tausende von Bildern, Zeichnungen und
Skulpturen. Davon kann aber immer nur ein Bruchteil gezeigt werden. Seit
einigen Jahren gibt es deshalb die Tradition, die bekannten Highlights mit
ansonsten kaum gezeigten Fundstücken zu kombinieren mit dem Ziel, durch oft
unkonventionelle Konstellationen neue Sichtweisen auf die Werke und die
Sammlung zu erzeugen.
Die nunmehr achte Ausstellung in der Reihe "Konstellationen" steht unter dem
Motto "Menschenbilder".
Es ist eine der Eigenheiten von Menschen, dass sie
Bilder machen; von sich selbst, von anderen und von ihrer Umwelt. Die
Herstellung von Bildern ist ein Erkenntnisinstrument: Durch das Produzieren und
Anschauen von Bildern lassen sich die Dinge anders und vertiefter erkennen, als
nur mit flüchtigen Blicken, die nichts auf Dauer festzuhalten vermögen. Sich
ein Bild zu machen von sich selbst oder von anderen Menschen gibt einem die
Möglichkeit zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Gegenüber und der
Welt.
Künstlerinnen und Künstler haben über die Jahrhunderte hinweg immer wieder die
Gelegenheit ergriffen, Menschen abzubilden. Von besonderem Interesse sind dabei
die Selbstporträts, denen in der Ausstellung "Menschenbilder" ein ganzer Raum
gewidmet ist. Von sich selbst ein Bild zu machen ist ein Prozess der
Selbsterkenntnis. Dieser Aufgabe haben sich von Adolf Dietrich bis Anton
Bernhardsgrütter, von Helen Dahm bis zu Olga Titus eine ganze Reihe von
Künstlerinnen und Künstler gestellt, manche selbstironisch, manche naiv ehrlich
und andere wiederum grüblerisch und selbstsezierend.
Anhand von Porträtdarstellungen aus der Sammlung des Kunstmuseum Thurgau lässt
sich der Wandel der Abbildungstraditionen hervorragend zeigen. Heute verfügen
Künstlerinnen und Künstler über ganz andere Ausdrucksmittel wie ihre Kollegen
zum Beginn des letzten Jahrhunderts. Ob ein Bild mit dem Pinsel gemalt oder mit
der Kamera aufgezeichnet wird, führt zwangsläufig zu anderen Resultaten.
Bedeutender noch als diese Entwicklung der Ausdrucksmittel sind allerdings die
Unterschiede der geschmacklichen oder stilistischen Haltungen der Künstlerinnen
und Künstler. Simone Kappeler bildet so ihr Gegenüber ganz anders ab als etwa
Barnabas Bosshart oder Roland Iselin obwohl alle drei eine Kamera benutzen.
Menschenbilder können mehr sein als nur eine Widerspiegelung von Personen. Porträts können weltanschauliche Botschaften enthalten wie dann, wenn die von Muda Mathis porträtierte "Babette" über ihren Aufenthalt in Sarajewo berichtet.
Oder aber Bilder von Menschen werden zum Ausgangspunkt für philosophische
Betrachtungen etwa in der Videoinstallation "Present" von Heta Kuchka. Die
finnische Künstlerin liess Menschen, die an Demenz leiden, ihre Lieblingsmusik
vorspielen und filmte sie dabei. Die einzelnen Personen reagierten ganz
unterschiedlich auf die Klänge. Die eine klatschte mit den Händen, eine andere
sang mit oder ein Dritter tanzte gar. Manchmal aber blieben die Gesichter leer,
zeigten sich die ausgelösten Emotionen nur an fast nicht wahrnehmbaren
Veränderungen der Körperspannung. Diese Bilder von Menschen in hohem Alter, die
sich irgendwie selbst zu verlieren scheinen, konfrontieren das Publikum
unausweichlich mit der universellen Frage "Was macht den Menschen aus?" Ist es
sein Agieren? Seine Erinnerung? Sind des seine Emotionen?
Ein Höhepunkt der Ausstellung "Menschenbilder" ist die Präsentation einer Werkgruppe des Gastkünstlers Daniel Gallmann. Der in Bussnang wohnhafte Maler malt seit Jahrzehnten nur zwei Motive, eine Landschaft sowie eine Figurengruppe. In der Ausstellung "Menschenbilder" zeigt er seine gesamte Produktion an Figurenbildern aus mehreren Jahren. In Angesicht dieser beeindruckende Inszenierung von Hunderten von gleich scheinenden Bildern wird das Bildermachen selbst zum unausweichlichen Thema.
Insgesamt ist so der Gang durch die Ausstellung "Menschenbilder" nicht nur ein anregendes Schauvergnügen, sondern mehr noch eine Entdeckungsreise auf der Suche nach dem Sinn der Bilder.
kmt
Kontakt:
http://www.kunstmuseum.ch/xml_1/internet/de/application/d8/f115.cfm?action=ausstellung.show&id=109