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"LEBE BESSER! AUF DER SUCHE NACH DEM IDEALEN LEBEN"

"LEBE BESSER! AUF DER SUCHE NACH DEM IDEALEN LEBEN"

12.02.2020 Das Bernische Historische Museum zeigt zusammen mit der Universität Freiburg-Fribourg vom 13. Februar bis am 5. Juli 2020 eine Ausstellung zur Lebensreformbewegung in der Schweiz. Im Zentrum stehen dabei Ideen, Praktiken und Produkte der Bewegung von den Anfängen im ausgehenden 19. Jahrhundert bis hinein in die Gegenwart und von den Rändern bis in die Mitte der Gesellschaft.


Bild oben: Ausdruckstanz als Teil der Lebensreformbewegung: Tänzer Sigurd Leeder in Ascona, 1925 - © SAPA, Nachlass Sigurd Leeder, Fotograf: Rudolf Opitz

"Lebe besser!", so lautet der Appell und Mahnruf der Lebensreformbewegung in der Schweiz wie auch in anderen europäischen Ländern. Er ist eine kategorische Aufforderung an die Menschen, sich zu verändern. Er ist auch eine Bekundung von Unmut über herrschende Zustände und eine Warnung vor drohenden Gefahren.

Im späten 19. Jahrhundert drücken die Lebensreformerinnen und Lebensreformer damit ihr Unwohlsein mit der verstärkten Industrialisierung, Technisierung und Urbanisierung aus, ihr Unbehagen mit dem beschleunigten Rhythmus des Alltags und der Globalisierung der Welt.

Später fügen sich Missfallen an der Wachstums- und Konsumgesellschaft, Sorgen um Umweltverschmutzung und Klimawandel hinzu. Konstant bleibt die Krisenempfindung, die zuweilen in Katastrophenszenarien und Endzeitstimmungen mündet, vor allem aber zur Suche nach einem idealen Leben, nach der Verbesserung der Lebensweisen antreibt.

lebe besser bircher-benner

Bild: Halte dich gesund! In der Naturheilanstalt von Max Bircher-Benner am Zürichberg erhalten die Gäste feuchte Wickel, um den Körper zu entgiften - © Archiv für Medizingeschichte, Zürich

Obschon sich die Krisendeutungen auf die gesamte Gesellschaft, gar auf den ganzen Planeten beziehen, richtet sich der lebensreformerische Aufruf zur Veränderung an den Einzelnen. Wenn jeder Mensch seine persönliche Lebensweise ändere, finde letztlich auch gesellschaftlicher Wandel statt, so die Überzeugung der Lebensreformer und Lebensreformerinnen. Nicht soziale Gleichheits- und Gerechtigkeitsideale, emanzipatorische und partizipatorische Ansprüche stehen im Mittelpunkt, vielmehr geht es um die individuelle Selbstgestaltung und das eigene Wohlbefinden.

"Lebe besser!" ist ein Appell an die Selbstverantwortung, ein Bekenntnis zur Selbstermächtigung. Jeder Einzelne ist der Schmied seines eigenen Glückes, wie oft zu hören ist. Es erstaunt denn auch wenig, dass im Zuge der forcierten Neoliberalisierung der postindustriellen Gesellschaft und der damit verbundenen individualisierten Ungleichheit seit den 1970er-Jahren lebensreformerisch inspirierte Praktiken der Persönlichkeitsbildung und Selbstoptimierung einen Boom erleben.

Sozial ist die Lebensreform zu Beginn vor allem im bürgerlichen Milieu der Schweiz verortet. Sie spricht hauptsächlich besser situierte Bevölkerungskreise an. Lange Zeit können nur jene ostentativ auf Fleisch verzichten, sich vegetarisch ernähren, die sich überhaupt Fleischgerichte zu leisten vermögen. Noch heute sind Bioprodukte, Vollwertkost und Naturheilpraktiken nicht für alle erschwinglich.

Zur Lebensreform als Selbstreform gehört auch die intensive Arbeit am eigenen Körper. Natürlichkeit, Schönheit und Fitness werden als lebensreformerische Leitmotive propagiert. Gesund, schlank und leistungsfähig soll der Körper sein, ganz im Sinne des heutigen Körper- und Fitnesskults. Auf Fleisch, Alkohol und Tabak soll verzichtet werden, was auch dem aktuellen Verständnis eines gesundheitsbewussten, enthaltsamen Lebens entspricht.

Nicht selten basieren solche Vorstellungen vom gesunden, fitten Menschen auf sozialdarwinistischen Ansichten und dienten in der Vergangenheit dazu, eugenische Massnahmen zu begründen.

Bemerkenswert ist schliesslich, dass die weltweit herumreisenden Schweizer Lebensreformer zur europäischen Kolonialgeschichte gehören. Ihre Zivilisationskritik und ihre Suche nach naturnahen, idealen Lebens- und Gesellschaftsformen bringt sie dazu, romantisierend und exotisierend über aussereuropäische Bevölkerungen zu berichten und damit zur kolonialen Imaginationswelt beizutragen, was wiederum auf das Selbstbild der Lebensreformer und Lebensreformerinnen einwirkt (z.B. indem sie sich als "Naturmenschen" inszenieren).

Solche Ambivalenzen und Schattenseiten kennzeichnen die Geschichte der Lebensreformbewegung in der Schweiz, die bisher wenig Beachtung gefunden hat. Dank einem mehrjährigen Forschungsprojekt am Departement für Zeitgeschichte der Universität Freiburg-Fribourg, das der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt hat, liegen nun erstmals umfassende historische Erkenntnisse vor, die nicht nur die ausserordentliche Bedeutung der Schweiz für die transnationale Lebensreformbewegung aufzeigen, sondern auch auf die auffallenden Kontinuitäten lebensreformerischer Ideen und Praktiken im 20. Jahrhundert hinweisen.

Das Bernische Historische Museum befasst sich seit einigen Jahren in seinen Ausstellungen vermehrt mit Themen der Zeitgeschichte und mit Gegenwartsfragen. Die universitäre Forschung dagegen hat den Anspruch, ihre Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund beschlossen das Bernische Historische Museum und das Departement für Zeitgeschichte der Universität Freiburg-Fribourg, die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt zur Geschichte der Lebensreformbewegung in der Schweiz gemeinsam im populären Medium einer Ausstellung einem breiten Publikum zu präsentieren. Dieses Anliegen wurde durch den SNF im Rahmen eines Agora-Projektes finanziell unterstützt. Beide Institutionen haben dabei ihre je spezifischen Kompetenzen eingebracht. Das Resultat ist die Ausstellung "Lebe besser! Auf der Suche nach dem idealen Leben", die vom 13. Februar bis zum 5. Juli 2020 im Bernischen Historischen Museum zu sehen ist.

Damir Skenderovic
, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg-Fribourg

Jakob Messerli
, Direktor des Bernischen Historischen Museums

Kontakt:

www.bhm.ch/lebebesser

https://www.bhm.ch/de/

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lebe besser wandervögel

Bild: Eine Gruppe Wandervögel aus Küsnacht bei einem Ausflug im Frühjahr 1913. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert bilden sich in der Schweiz erste Schüler- und Studentenverbindungen, die sich für einen gesunden, alkohol- und drogenabstinenten Lebensstil einsetzen und körperliche Betätigungen in der Freizeit organisieren. Daraus entsteht 1907 der "Schweizer Wandervogel" - © Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich


 

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