BÜRO DLB - IDEE-REALISATION-KOMMUNIKATION
Daniel Leutenegger, Rathausgasse 18, CH-3011 Bern, www.ch-cultura.ch

BÜRO DLB - IDEE-REALISATION-KOMMUNIKATION
Daniel Leutenegger
Rathausgasse 18
CH-3011 Bern
E-Mail
www.ch-cultura.ch.ch

"LEONOR ANTUNES – DISCREPANCIES WITH C.P."

"LEONOR ANTUNES – DISCREPANCIES WITH C.P."

01.11.2019 Der jährlich vom Museum Haus Konstruktiv und der Zurich Insurance Group Ltd vergebene Zurich Art Prize geht 2019 an Leonor Antunes (*1972 in Lissabon, lebt und arbeitet in Berlin). Die portugiesische Künstlerin ist die zwölfte Gewinnerin der international renommierten Auszeichnung. Von dem mit CHF 100'000 dotierten Preis erhalten die Preisträgerinnen und Preisträger jeweils CHF 20'000; weitere CHF 80'000 werden für die Produktion der Einzelausstellung im Museum Haus Konstruktiv eingesetzt. (Ausstellung bis am 12. Januar 2020).


Bild: Leonor Antunes, Installation view Museum Haus Konstruktiv, 2019 Photo: Stefan Altenburger

Antunes begeisterte die Jury des Zurich Art Prize insbesondere durch ihre sinnlich-präzisen Werke, in denen sie explizit auf Arbeiten und Ideen namhafter Kulturschaffender aus den Bereichen Architektur, Design und Kunst des 20. Jahrhunderts zurückgreift.

Leonor Antunes entwirft ihre skulpturalen Arbeiten auf der Grundlage von Recherchen zu Objekten aus der modernistischen Architektur- und Designgeschichte. Dabei interessiert sie sich ebenso für die Materialität und Machart der historischen Objekte wie für deren einstige sozialpolitische Bedeutung. Sie entleiht den Möbelstücken und Architekturen Formen und Motive, löst sie aus ihrem ursprünglichen Kontext und setzt sie in Duplikaten, Vergrösserungen oder Reduktionen zu neuen skulpturalen Werken und Environments zusammen.

Besonderes Augenmerk legt Antunes auf den Ort, an dem sie ihre Arbeiten präsentiert. Die architektonischen und historischen Gegebenheiten des Raumes schreiben sich in die Geschichte der gezeigten Objekte ein, so wie diese umgekehrt den Raum neu aufladen.

Es ist Teil von Antunes' künstlerischer Praxis, bereits existierende Werke in neuer Umgebung und Kombination zu zeigen. «Mir gefällt die Idee, ältere/schon bestehende Werke in verschiedenen Settings zu installieren. Jede Ausstellung ist in dieser Hinsicht eine neue Herausforderung, und die Skulpturen geben genug her, um von den verschiedenen Situationen und Kontexten absorbiert zu werden.»

Im Museum Haus Konstruktiv präsentiert die Künstlerin nun Arbeiten aus zwei Werkgruppen der Jahre 2017 und 2018. In beiden Serien beschäftigt sie sich vorwiegend mit weiblichen Persönlichkeiten, die von der Kunst- und Architekturgeschichte lange Zeit vernachlässigt wurden.

Die sechs skulpturalen Objekte Clara I-V, VII, die im Erdgeschoss auf einem Sisalteppich platziert sind, basieren auf einer 2007 begonnenen, intensiven Beschäftigung mit der kubanischen Möbeldesignerin und Innenarchitektin Clara Porset (1895-1981). Porset studierte ab 1911 Architektur und Design in Kuba und in New York, u.a. an der Manhattenville Academy und an der Columbia University. Ende der 1920er-Jahre bereiste sie Europa. Hier lernte sie Walter Gropius, den Bauhaus-Gründer, und dessen Nachfolger Hannes Meyer kennen; mit beiden blieb sie lange in Kontakt. Von 1928 bis 1931 lebte sie in Paris, wo sie sich im Atelier des Innenarchitekten und Designers Henri Rapin (1873-1939) weiterbilden liess. 1934 besuchte sie das Black Mountain College in North Carolina. Mit dem dort lehrenden Josef Albers (1888-1976) und dessen Frau Anni (1899-1994) sollte sie eine lebenslange Freundschaft pflegen. Zurück in Havanna wurde Porset künstlerische Leiterin der la Escue-la Técnica Industrial para Mujeres (Technische Schule für Frauen). Enttäuscht von der reaktionären kubanischen Politik emigrierte sie 1935 nach Mexiko, wo sie auf ein kreatives internationales Milieu traf. Beeindruckt von der mexikanischen Handwerkskunst begann sie, volkstümliche Handwerkstechniken und einheimische Materialien in ihre eigenen modernistischen Möbelentwürfe zu integrieren.

Wenn nun Antunes in ihren Skulpturen Formen aus Clara Porsets Möbelstücken aufgreift, dann tut sie dies auf sehr präzise Weise: «Das ist keine Neuinterpretation» sagt Antunes. «Ich übersetze ihre Arbeit buchstäblich in eine viel grössere Dimension, indem ich bestimmte Teile auswähle.» Einige Skulpturen weisen denn auch eine starke Ähnlichkeit zu Porsets geflochtenen Stühlen und Sesseln auf, in anderen hingegen ist die Reverenz viel freier umgesetzt. Und so kann auch der Titel der Ausstellung gelesen werden: Mit discrepancies with C. P. huldigt Antunes ihrem kubanischen Vorbild und bereitet Porsets Vermächtnis eine eindrucksvolle Bühne, zugleich aber haben ihre Schöpfungen ihre Funktion als Sitzgelegenheit eingebüsst.

Die im Ausstellungstitel verwendeten Buchstaben C und P stehen nicht nur für Clara Porsets Initialen, sondern auch für die der französischen Designerin und Architektin Charlotte Perriand (1903-1999). Perriand, die an der École de L'Union central des arts décoratifs studierte, wurde zunächst als Mitarbeiterin von Le Corbusier bekannt. Dass sie mit ihren revolutionären Möbelentwürfen und visionären Projekten für kollektive Wohnformen die Architektur und das Design des 20. Jahrhunderts massgeblich mitgeprägt hat, findet erst in jüngerer Zeit grössere Beachtung. Leonor Antunes würdigt das Œuvre der französischen Pionierin und betitelt drei ihrer im Haus Konstruktiv präsentierten Arbeiten mit Charlotte. Sie nimmt darin explizit Bezug auf Möbel, die Perriand für ein Ferienresort im französischen Les Arcs gestaltet hat.

Die übrigen Exponate - Franca I, II, III und Sergio - sind Hommagen an die italienische Designerin und Architektin Franca Helg (1920-1989) respektive an den Brasilianer Sergio Rodrigues (1927-2014). Helg arbeitete vielfach mit dem Architekten und Designer Franco Albini zusammen; gemeinsam entwarfen sie die Lampe, auf die sich Antunes in ihren Skulpturen bezieht. Rodrigues' aus dem Holz des Jacarandabaums geschaffenen Möbel wiederum wurden in den 1960er-Jahren zum Inbegriff brasilianischen Designs. Wie die Objekte im Erdgeschoss ruhen auch diese Arbeiten auf einem geknüpften Teppich aus Sisalfasern. Sie sind - zusammen mit den Charlottes - mit verschiedenen Pflanzen bestückt, die als Epiphyten, als sogenannte Aufsitzerpflanzen, Richtung Boden wachsen und so zum Teil an Haar erinnern.

Wie viele Materialien, die Antunes in ihren Werken verarbeitet, stammen auch diese Pflanzen nicht aus Europa, sondern aus Südafrika, von den Antillen oder aus Südasien. Damit verweist die Künstlerin nicht zuletzt auf die Kolonialgeschichte ihrer eigenen Heimat Portugal: «Ich interessierte mich eher für diesen Fluss, diese Einwanderung von Pflanzen, als dafür, sie einfach als Pflanzen zu betrachten. Mein Interesse galt der Tatsache, dass ich, indem ich in Europa war, mein Augenmerk aber auf Dinge ausserhalb Europas richtete, Kunst immer als etwas gesehen habe, auf das man achtgeben sollte. Und ich meine wirklich achtgeben, so wie wir auf uns selbst, unseren Körper und andere achtgeben. Wenn wir die Pflanzen nicht versorgen, sterben sie. Aber gleichzeitig sollten wir es auch nicht übertreiben, deshalb erfordern diese Pflanzen nicht so viel Aufmerksamkeit. Ansonsten könnten sie ebenfalls sterben! Es geht um Vorschriften, Prioritäten und darum, präzise Entscheidungen zu treffen.»

Nach ihrem Studium im Fach Bühnenbild an der Escola Superior de Teatro e Cinema in Lissabon studierte Leonor Antunes bildende Kunst an der Universidade de Lisboa und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.

Kuratiert von Sabine Schaschl

hkz

Kontakt:

https://www.hauskonstruktiv.ch/

#MuseumHausKonstruktivZürich #ZurichInsuranceGroup #ZurichArtPrize #LeonorAntunes #SabineSchaschl #CHcultura @CHculturaCH ∆cultura cultura+


 

Zurück zur Übersicht