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"OTTILIA GIACOMETTI – EIN PORTRÄT"

"OTTILIA GIACOMETTI – EIN PORTRÄT"

08.02.2020 Ausstellung im Kunsthaus Zürich, bis am 3. Mai 2020


Bild oben: Giovanni Giacometti, Ottilia, Pensierosa, 1913, Öl auf Leinwand, 65 x 60 cm, Privatbesitz

Das Kunsthaus Zürich zeigt Gemälde, Plastiken und Zeichnungen von Giovanni und Alberto Giacometti, die der Tochter beziehungsweise Schwester Ottilia gewidmet sind. "Ottilia Giacometti - Ein Porträt" stellt die am wenigsten bekannte Figur der berühmten Künstlerfamilie ins Zentrum, die im Alter von nur 33 Jahren verstarb.

Ottilia (1904-1937) war die einzige Tochter von Giovanni Giacometti und Annetta Stampa und die Schwester von Alberto, Diego und Bruno. Sie ist das am wenigsten bekannte Mitglied dieser Familie, die nicht nur wegen der zahlreichen Künstler, die sie hervorgebracht hat aussergewöhnlich war, sondern auch wegen der grossen Liebe und Harmonie, die in ihr herrschten.

Die Erziehung der Eltern konzentrierte sich darauf, ihren Kindern alle Möglichkeiten zu bieten, damit sie ihr Leben erfolgreich zu meistern vermochten. Sie konnten eine Ausbildung absolvieren und wurden bei ihren Entscheidungen finanziell unterstützt: Alberto und Diego darin, in Paris eine künstlerische Laufbahn und Bruno, in Zürich eine Karriere als Architekt einzuschlagen, während Ottilia die Erziehung eines Mädchens aus gutem Hause erhielt, erst in einem Internat in Horgen, dann an der Frauenarbeitsschule in Bern und schliesslich in einem Pensionat in Lausanne.

OTTILIAS LEBEN ZWISCHEN STAMPA, MALOJA UND GENF

Ottilia, die eine gute Schneiderin und geschickt am Webstuhl war - eine Beschäftigung, der viele Frauen im Bergell nachgingen - sammelte Arbeitserfahrungen in Paris, Ascona und Chur. Ihr Vorbild war die Mutter, eine praktisch veranlagte, tiefgläubige Frau. Da Ottilia bei ihren Eltern lebte, begleitete sie diese oft auf ihren Reisen.

In Maloja begegnete sie Francis Berthoud, einem Genfer Arzt, der ein passionierter Bergfreund und Kunstliebhaber war, und verliebte sich in ihn. Das Paar heiratete am 22. März 1933 in Maloja und zog nach Genf. Dieser Moment des Glücks endete abrupt durch den plötzlichen Tod Giovannis im Juni 1933. Im März 1934 begaben sich Ottilia und Francis anlässlich ihres ersten Hochzeitstags auf eine Mittelmeer-Kreuzfahrt, die sie nach Italien, Griechenland und Ägypten führte. Im März 1937 traf die frohe Nachricht ein, dass Ottilia ein Kind erwartete, und alle sahen freudig dem Tag der Geburt entgegen. Am 10. Oktober, an Albertos Geburtstag, wurde zur grossen Freude aller Silvio Berthoud geboren. Die von der Geburt erschöpfte Ottilia starb jedoch einige Stunden später. Ihr Tod war eine Tragödie für die Familie, aber da war Silvio, ein neugeborenes Menschenwesen, das Zuwendung brauchte. Annetta verliess sogleich ihr Tal, um in Genf zu leben und ihren Enkel aufzuziehen.

BILDNISSE DER FAMILIE UND NOCH NIE GEZEIGTE FILME!

Giovanni weist eine besondere Sensibilität in den Bildnissen seiner Kinder auf; er beobachtet fasziniert, wie sie heranwachsen und porträtiert alle vier, besonders im Kindesalter, viele Male. Überdies setzt er sich immer wieder mit dem Thema Mutterschaft auseinander und greift, wie im Gemälde "Die Mutter", auf das Kompositionsschema der Madonnen des Quattrocento zurück, um Annetta darzustellen, Ottilia in den Armen haltend, zu ihren Füssen Alberto und Diego. Das Gemälde "Die Lampe" zeigt, wie sehr Giovanni die Intimität seines häuslichen Lebens schätzte. Die Porträts Ottilias, die er in festlicher Kleidung oder in einem Moment der Ruhe darstellt, bringen seine tief empfundene Freude über ein Leben zum Ausdruck, das im Begriff ist, sich zu entfalten, bis hin zu den Porträts von 1923/24, die eine erwachsene Ottilia von strahlender Schönheit zeigen.

Dass diese Schönheit nicht herbeigemalt und die innige Beziehung der Familienmitglieder untereinander keine Konstruktion der Nachwelt ist, bezeugen noch nie öffentlich gezeigte Filmdokumente. Die in Privatbesitz befindlichen, von Francis Berthoud, dem Ehemann Ottilias, in den Dreissigerjahren gedrehten Normal-8-Filme machen das Temperament und die Charaktere der Mitglieder dieser Künstlerfamilie lebendig. Es gilt als kleine Sensation, dass diese Dokumente in sehr gutem Zustand erhalten geblieben sind und jetzt für kurze Zeit öffentlich werden können.

STUDIE DER MENSCHLICHEN FIGUR


Auch der Sohn Alberto begann seine künstlerische Arbeit im Kreis der Familie. Es war allerdings sehr viel anstrengender und unangenehmer, für ihn, der absolute Bewegungslosigkeit forderte, Modell zu stehen, als für den Vater. Ottilia wird von ihrem Bruder häufig bei alltäglichen Beschäftigungen oder zusammen mit den anderen Familienmitgliedern dargestellt.

Je mehr Albertos Fähigkeiten wachsen, desto intensiver und reifer wird der künstlerische Dialog mit dem Vater, seinem ersten Lehrer. In den Porträts Ottilias, die gegen 1925 entstanden sind, ist zu erkennen, dass er viel von seinem Vater gelernt hat. Seine Gipsbüste der Schwester weist mehr Gemeinsamkeiten mit dem Werk Charles Despiaus als mit dem Antoine Bourdelles auf, seinem Professor an der Kunstakademie.

In den 1930er-Jahren, als er in der Pariser Szene schon ein anerkannter Künstler war,  setzte er bei seinen Besuchen im Tal seine Studien zur menschlichen Figur fort. Interessant sind die nicht umgesetzten Entwürfe für die Einladung zur Hochzeit von Ottilia und Francis, während das wohl gegen 1934 wieder aufgenommene Porträt Ottilias schon die Zeichen einer neuen Figuration in sich trägt, einer künstlerischen Suche, die im Februar 1935 zu seinem Ausschluss aus der surrealistischen Bewegung führen wird.

TOD UND LEBEN


Der berührendste Teil der Ausstellung sind die mit dem Tod Ottilias verbundenen Werke. Dramatisch ist der Kontrast zwischen dem stillen Gesicht Ottilias auf dem Totenbett und den Skizzenheften mit den Porträts von Silvio in der Wiege, die sich zart und liebevoll diesem neuen Lebewesen zuwenden, das nichts von dem Schmerz weiss, der es umgibt.

Ein Kopf Ottilias, dem sich Alberto gleich nach seiner Rückkehr nach Paris bis zum März 1938 widmete, war der letzte Versuch, seine Schwester darzustellen. Er arbeitete nach der Erinnerung, von Fotografien unterstützt, die Gesichtszüge sind undeutlicher und das erste Mal ist die Verkleinerung zu beobachten, ein Merkmal, das alle seine Werke von 1939 bis in die Nachkriegszeit auszeichnet.

Drei Skulpturen von Silvio aus den Jahren 1943 bis 1945 verkörpern diese fast obsessive künstlerische Suche, mit der er sich während seines unfreiwilligen Aufenthalts in Genf beschäftigte, als er wegen des Krieges nicht nach Paris zurückkehren konnte. Am Ende der Ausstellung bezeugt eine Kinderzeichnung Silvios den Fortgang des Lebens.

AUSSTELLUNGSUMFANG, PUBLIKATION


Die Ausstellung geht Ottilias Leben chronologisch nach - beginnend mit den Gemälden des Vaters und später mit Werken ihres Bruders Alberto. Die Präsentation umfasst hochkarätige Werke aus Schweizer Museen, aus Privatbesitz und von der Fondation Giacometti, Paris, die zum Teil seit Jahrzehnten nicht oder noch gar nie öffentlich zu sehen waren - insgesamt rund 80 Gemälde, Plastiken sowie Zeichnungen, Familienfotos und Zusammenschnitte von noch nie präsentierten Filmdokumenten auf zwei Monitoren.

Begleitet wird die von Gastkurator Casimiro Di Crescenzo zusammengestellte Präsentation von einem Katalog (Verlag Scheidegger & Spiess, 130 S., 110 Abb.), erhältlich im Kunsthaus-Shop für CHF 25.-.

ZUSATZPRÄSENTATION: ZEITGENÖSSISCHE KÜNSTLERINNEN

Ottilia Giacometti war wie ihre Brüder und ihr Vater kreativ begabt. Anders als Sophie Taeuber, Hannah Höch oder Meret Oppenheim, schlug sie jedoch nie eine künstlerische Laufbahn ein. Den genannten und weiteren Künstlerinnen hat Sammlungskonservator Philippe Büttner eine Accrochage mit Werken aus der Sammlung gewidmet, die in der Lebenszeit Ottilias entstanden und nun parallel zur Ausstellung zu sehen sind. Ihr Besuch ist im Ausstellungsticket inbegriffen.

Kurator: Casimiro Di Crescenzo

khz

Kontakt:

https://www.kunsthaus.ch/

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ottilia und alberto giacometti

Alberto und Ottilia Giacometti in den Wäldern von Stampa, unbekannter Fotograf, um 1923/24, Privatbesitz

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