BÜRO DLB - IDEE-REALISATION-KOMMUNIKATION
Daniel Leutenegger, Rathausgasse 18, CH-3011 Bern, www.ch-cultura.ch

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"RELAX (CHIARENZA & HAUSER & CO): WAS WOLLEN WIR BEHALTEN? (WHAT DO WE WANT TO KEEP?)"

"RELAX (CHIARENZA & HAUSER & CO): WAS WOLLEN WIR BEHALTEN? (WHAT DO WE WANT TO KEEP?)"

16.09.2018 Ausstellung in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich, bis am 28. Oktober 2018


Bild: RELAX (chiarenza & hauser & co),
the artists just before the peak of their career,
2008, photography, Lambda print, 188x123,5 cm - © Courtesy of the artists

Heutzutage machen Top-Ten-Nennungen und Ratings der berühmtesten und teuersten Kunstschaffenden regelmässig die Runde. Doch wie entstehen und entstanden solche Listen und damit ein Kanon, in dem die Wichtigkeit von einzelnen Positionen definiert wird? RELAX (chiarenza & hauser & co) haben diese Frage als Leitlinie gewählt, als sie in die Bestände der Graphischen Sammlung ETH Zürich eingetaucht sind. Entstanden ist eine Installation mit Video, Arbeiten auf Papier, räumlich angelegten Werken und Druckgraphik aus der Graphischen Sammlung. Dabei wird der Ausstellungsaal auch zu einem Studiensaal, in dem recherchiert, gelesen, geschaut und verweilt werden kann.

«was wollen wir behalten? (what do we want to keep?)» - mit dieser Frage, die zugleich Ausstellungstitel ist, geht RELAX (chiarenza & hauser & co) auf Spurensuche. Marie-Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser haben sich intensiv mit der Graphischen Sammlung ETH Zürich auseinandergesetzt und ihre Werke, den Ort wie auch die Entwicklung der Sammlung seit ihrer Gründung vor 151 Jahren erforscht.

Diese Herangehensweise ist charakteristisch für die beiden Kunstschaffenden, die seit 1983 künstlerisch zusammenarbeiten. Sie realisieren jeweils sowohl autonome Werke als auch solche, die sich mit dem Ausstellungsort auseinandersetzen. Diese werden teils miteinander verwoben, teils einander gegenübergestellt. So auch in der Graphischen Sammlung.

Die Ausstellung, von Linda Schädler, Leiterin der Graphischen Sammlung ETH Zürich, kuratiert, präsentiert frühere Werke wie die Fotografie mit dem Titel «the artists just before the peak of their career» (2008), auf der Chiarenza und Hauser abgebildet sind. RELAX greift hier das künstlerische Selbstporträt ironisch auf und stellt zur Diskussion, wann es jemand in der Kunstwelt «geschafft» hat und im Kanon aufgenommen wird.

Solche Arbeiten wechseln mit extra für die Ausstellung realisierten Werken ab, zum Beispiel mit der Serie «canon? 17 covers for art magazines» (2018), in der thematisiert wird, warum es jemand in einer Kunstzeitschrift auf das Cover gebracht hat und zugleich, welche Zeitschriften zu den einflussreichen Playern in der Kunstwelt gehören.

Gleichzeitig zeigt das Werk «die belege, les quittances, the receipts (1984-2005)» (2005), dass der Kanon stets auch einen unmittelbaren Einfluss auf den Wert von Kunst hat und damit einen ökonomischen Faktor darstellt. Es handelt sich um die gesammelten Belege, also Quittungen u.ä. von Aufwendungen, die in Zusammenhang mit der Ausstellungstätigkeit von RELAX angefallen sind. Über eine «Realitätskurve» wird das Verhältnis zwischen dem jeweiligen Budget und der zur Verfügung stehenden Ausstellungsfläche dargestellt und visuell erfahrbar gemacht.

Bei seiner Recherche zum Thema Kanonisierung hat sich RELAX aber auch mit den Beständen der Graphischen Sammlung befasst und ergründet, welche Repräsentationsformen besonders oft vorkommen - und welche fehlen.

Gibt es Selbstporträts von Künstlerinnen oder bilden sie die Ausnahme? Wie wird in der Kunst das Thema von bezahlter Arbeit und Frauen aufgegriffen und lassen sich in der Sammlung Beispiele dafür finden?

In ihrer Installation, die Texte, Bilder und eine Videoarbeit umfasst sowie Werke aus der Graphischen Sammlung integriert, beschäftigen sich Chiarenza und Hauser mit der Sammlungsstruktur und fragen danach, welche Positionen gesammelt und gezeigt wurden und werden. Sie recherchieren, wie die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit die Herausbildung eines Kanons beeinflusst und umgekehrt.

Dabei wagen die Künstlerin und der Künstler eine alternative Lesart und wissen, dass sie damit wieder auswählen und weglassen müssen. Hierzu sagen sie: «wir können also nur scheitern, denn die einzig gültige Wahl ist eine Illusion». Und doch vermögen sie durch ihre explizit unkonventionelle Wahl die traditionell gefestigte Kanonisierung zu hinterfragen.

Mit dieser Ausstellung wird ein völlig neuer Blick auf die Graphische Sammlung ETH Zürich geworfen. Hier werden Fragen gestellt, und die Besucherinnen und Besucher werden über die ausgestellten Werke, Schriftstücke und die Videoarbeit dazu animiert, in Themen einzutauchen.

RELAX blickt damit auch zurück auf die Anfänge vor 151 Jahren, als die Graphische Sammlung als klassische Studien- und Lehrsammlung angelegt worden war und man anhand ihrer Werke Wissen vermittelt und geforscht hat. Diesen Aspekt aktiviert RELAX: Es macht den Ausstellungsaal auch zu einem Studiensaal, in dem die Besucherinnen und Besucher nicht nur Kunst betrachten, sondern sie ebenfalls erforschen können.

Kanonisierung betrifft jedoch nicht nur die bildende Kunst. Es ist hinlänglich bekannt, dass auch in der Wissenschaft von zentraler Bedeutung ist, welche Publikationen wie oft konsultiert und zitiert werden. Daher expandiert die Ausstellung in das Infocenter der ETH-Bibliothek (Stockwerk H) und präsentiert eine künstlerische Intervention, in der Ranglisten und speziell gefragte Bücher visuell erfahrbar werden.

Ein umfangreiches, dialogisch angelegtes Rahmenprogramm lädt zur Diskussion über den Kanon ein und erweitert die Beschäftigung mit Struktur und Bedeutung einer Sammlung von internationalem Renommee. Zum Ende der Ausstellung wird eine Publikation erscheinen.

Kuratorin: Linda Schädler

cp

Kontakt:

https://gs.ethz.ch/

relax eth

Bild: RELAX (chiarenza & hauser & co), what do we want to keep?,
2018, Ausstellungs-Ansicht, Vitrine - © Courtesy of the artists

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