RETO LEIBUNDGUT: "CLEMENTINE"
09.04.2016 Ausstellung in der Galerie Bernhard Bischoff & Partner, Progr Bern, bis am 21. Mai 2016
Bild: © Reto Leibundgut, ohne Titel (Baum), 2016, Gobelin auf Holz, hinter Plexiglas, Durchmesser 156 cm
Seit dem Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit beschäftigt sich Reto Leibundgut ausschliesslich mit gebrauchtem, altem "Material".
Er ist ein wahrer Materialliebhaber: Abfallholz, Spanplatten,
Furnierholz, Leder, Plastik oder Textilien und Teppiche, - alles wird sorgfältig
gesammelt und weiterverwertet. Die umfangreichen "Material(an)sammlungen"
machen denn auch die Essenz seiner Arbeiten aus. Aufwändig werden die
verschiedenen Materialien verarbeitet und in einen neuen Kontext gestellt. Das
Vulgäre wird zur Kunst gemacht, ebenso wie das billige Holz veredelt wird.
Inhaltlich recycliert er nicht nur Material, sondern auch Bilder. Als Vorlagen
dienen ihm etwa alte Gobelinstickereien, Stills aus Pornofilmen oder
Fotografien. Mittels traditioneller, vermeintlich verstaubter Techniken, wie
Intarsien oder Stickereien, werden Inhalte in eine neue Dimension transferiert
und gewohnte Sehweisen hinterfragt.
Das Werk des Künstlers lebt von irritierenden Gegensätzen. So täuschen die
Intarsien, die Teppiche, die Gobelins und Lederarbeiten eine handwerkliche
Perfektion vor, die so perfekt nicht ist. Das Material und die Techniken
überraschen, assoziiert man diese doch eher mit bürgerlichen Wohnwelten,
Biederkeit und Langeweile. Leibundgut wählt oft naive Blumenmotive wie Geranien oder
Mohnblumen, die das kitschige Moment eines Gobelins extrem übertreiben. Die
Motive der Gobelins oder Intarsien trotzen jedoch jeder miefigen Biederkeit.
Zwischen edel und billig, zwischen Zärtlichkeit und Provokation sucht Reto
Leibundgut die Spannung zu halten.
Bei allen Arbeiten Reto Leibundguts handelt es sich um Kunst mit einer
verwirrenden Direktheit, um Kunst, die sich alter Materialien und Techniken
bedient und trotzdem höchst aktuell ist. Er führt uns an der Nase herum und
evoziert mit der vermeintlichen Perfektion ein nicht zu leugnendes Unbehagen.
Auf der einen Seite ziehen die minutiös gearbeiteten Stücke angenehm an, auf
der anderen Seite wird man durch die rohe, grobe Machart manchmal abgestossen.
Für die Ausstellung "CLEMENTINE" hat Reto Leibundgut neue Gobelin-Patchwork-Arbeiten kreiert, wobei er die Verarbeitung und Technik geändert hat. Die Werke
werden direkt flach auf das Holz geklebt und hinter Plexiglas präsentiert.
Dadurch wirken sie schärfer, beziehen aber gleichzeitig den Betrachter und den
Raum mit ins Bild ein. So sind verschiedene Blumenbilder, Landschaften,
Interieurs oder scheinbar historische Bilder mit Schiffen aus dem 16. Jhd.
entstanden.
Zusätzlich zu den Bildern sind skulpturale Arbeiten zu sehen wie z.B. die zwei "Liebenden Fahrräder", welche mit einem 6eckigen Gebilde aus alten Schranktüren spazieren fahren. Oder das neuste "Möbelstück" des Künstlers: ein Sofa vollständig aus orangefarbigem Täfer, welches der Ausstellung seinen Titel gibt.
gbb
Kontakt:
http://www.bernhardbischoff.ch/gal/index.php?id=465
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