"SANDRO STEUDLER. DER DRITTE FELS"
03.06.2018 Ausstellung im Kirchner Museum Davos, bis am 21. Oktober 2018
Bild: © Sandro Steudler, "Findling", transluzenter Beton, Stahl, Holz, 2007 - 2010, 240 x 220 x 190 cm, Aussenansicht, http://www.kirchnermuseum.ch/de/ausstellungen/aktuell/details/sandro-steudler/
In Franz Kafkas unvollendeter Erzählung Der Bau
(1924) errichtet ein dachsähnliches Tier einen moosbedeckten Bau mit
versteckten Zugängen, falschen Fährten, Vorratskammern und Erkundungsgängen.
Das selbstgeschaffene Labyrinth gegen potentielle äussere Feinde löst bei
seinem Bewohner indessen zunehmende Paranoia aus. Der Bau gegen die Risiken des
Lebens verwandelt sich in ein Gefängnis aus panischen Gedanken. Nichts
geschieht und doch steigert sich die Angst. Beispielhaft führt die Erzählung
vor, wie sich das Unheimliche in dem Schutzbunker des Heimischen einnistet.
Seit 2003 plant und baut Sandro Steudler (*1971) an einer unterirdischen Kosmologie, deren Titel "Der Bau" er von Kafka übernommen hat. Der Schweizer Künstler pflegt ein ausgeprägtes Interesse für den Untergrund, den er als "terra incognita" der Jetztzeit definiert. Der Untergrund ist für ihn ein modellhafter Denk- und Möglichkeitsraum, ein letzter Nicht-Ort, nachdem die unbekannten weissen Flecken an der Oberfläche des Globus' verschwunden sind.
Deshalb gilt
sein besonderes Interesse unterirdischen Bunkeranlagen, Tunneln, Schächten und
erfundenen Räumen und er entwirft und baut Objekte, die das Grenzland zwischen
Architektur, Skulptur und Modell ausloten. Die Produktion einer
raum-plastischen Kunst-Welt zeigt sich beispielhaft in der hängenden
Stahlplastik "Der Bau", die gleichsam als Modell des Denkens und Wirkens des
Künstlers gelten kann. Die Stahlplastik ist ein Hybrid aus Architekturmodell
und Skulptur. Sie ist zudem die physische Manifestation einer virtuellen
Datenplastik, die sich permanent verändert.
Der "Findling" ist eine begehbare Skulptur aus lichtdurchlässigem Beton (dieser
ist in modellhafter Form auch Bestandteil der Stahlplastik). Der riesige Stein
ist bewohnbar und könnte auch der Eingang zu einem unterirdischen System sein.
Auf der dem Licht zugewandten Seite erscheint der Beton opak, während sich für
den Bewohner die äussere Welt als Schattenspiel darstellt. Erleuchtungsmomente
stellen sich ein, wenn der von innen beleuchtete Felsblock in der Nacht zur
Lichtskulptur wird. Sandro Steudler bezieht seinen transluzenten Felsen auf die
beiden Felsendenkmäler zu Ehren Friedrich Nietzsches bei Sils-Maria im
Engadin.
Mit der Ausstellung Sandro Steudler. Der dritte Fels wird eine höchst
originelle und komplexe künstlerische Position im und vor dem Kirchner Museum
Davos vorgestellt. Denkmodell, virtuelle Plastik, Installation und
Lichterlebnis verbinden sich hier zu einer präzisen Setzung, die hervorragend
mit der minimalistischen Architektur des Museums korrespondiert.
Zur Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch.
kmd
Kontakt:
www.kirchnermuseum.ch/de/ausstellungen/aktuell/details/sandro-steudler/