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AUS DER GROOVE-FORSCHUNG: WELCHE MUSIK BRINGT UNS ZUM TANZEN? DER GESCHMACK IST ENTSCHEIDENDER ALS DER RHYTHMUS

AUS DER GROOVE-FORSCHUNG: WELCHE MUSIK BRINGT UNS ZUM TANZEN? DER GESCHMACK IST ENTSCHEIDENDER ALS DER RHYTHMUS

11.10.2018 Die Groove-Forschung untersucht, welche Eigenschaften eines Songs Menschen zur Körperbewegung anregen. Ein Forscherteam der Hochschule Luzern konnte nun zeigen, dass diese Wirkung nicht nur mit der Musik allein zu tun hat, sondern wesentlich von den Hörerinnen und Hörern selbst ausgeht.


Symbolbild: fingersnapping - © www.ch-cultura.ch

Zu verstehen, was die Menschen animiert, sich synchron zu Musik zu bewegen, ist so etwas wie ein heiliger Gral für die Musikpsychologie. «Die Ursachen für den Groove suchen wir vor allem bei rhythmischen Eigenschaften der Musik, doch bisherige Resultate sind widersprüchlich», sagt Forscher Olivier Senn von der Hochschule Luzern.

Um das «Geheimnis des Groove» zu lüften, starteten er und sein Team vor zwei Jahren ein Online-Hörexperiment, bei dem die Teilnehmenden rekonstruierte Schlagzeugmuster aus 248 Songs bewerteten. Die Songs stammten aus ganz unterschiedlichen Stilrichtungen - zum Beispiel Pop, Rock, Funk, Soul und Disco - und wurden im Original von fünfzig weltbekannten Schlagzeugern eingespielt, darunter John Bonham (Led Zeppelin), Clyde Stubblefield (James Brown) oder Chad Smith (Red Hot Chili Peppers).

«Wir gingen davon aus, dass das Schlagzeug als prägnantes und taktgebendes Instrument eine wesentliche Rolle für das Groove-Empfinden spielt», so Senn. Für das Online-Hörexperiment wurde daher nur der «nackte» Schlagzeugrhythmus des jeweiligen Song-Ausschnitts extrahiert.

Das Experiment lief zwischen Oktober 2016 und Dezember 2017. 665 Personen, mehrheitlich aus der Schweiz und aus Deutschland, beteiligten sich daran. Sie hörten sich einige der Schlagzeugmuster an und gaben insgesamt 8ʼ329 Bewertungen darüber ab, wie stark die Rhythmen bei ihnen den Wunsch auslösten, sich zur Musik zu bewegen.

Persönlicher Geschmack dominiert musikalische Faktoren

Anhand der Bewertungen zeigten sich zahlreiche kleine rhythmische Effekte: Zum Beispiel erzeugten komplexere Schlagzeug-Rhythmen eine höhere Groove-Wirkung. Doch dieser Effekt hing massgeblich von der musikalischen Expertise der Umfrage-Teilnehmenden ab: Berufs- und Amateurmusikerinnen und -musiker reagierten positiv auf Komplexität, während sich die Laien genauso gerne zu einfachen Rhythmen bewegen wollten.

Einen deutlich grösseren Einfluss hatte jedoch der persönliche Musikgeschmack: Die Teilnehmenden schätzten ein Schlagzeugmuster signifikant besser ein, wenn sie dachten, es stammt von einem Stil, den sie mögen oder von einem Song, den sie kennen. «Das hat uns überrascht», so Senn, «schliesslich fehlten den isolierten Schlagzeugmustern die meisten Merkmale, die auf den Stil oder den Song schliessen lassen - wie die Instrumentierung, der Gesangsstil, die Melodie, der Liedtext oder der Sound.» Die reine Assoziation eines Rhythmus mit einem Stil oder einem Song reichte offenbar aus, um die Bewertungen zu beeinflussen. «Wir wussten natürlich, dass der Musikgeschmack die Wahrnehmung von Musik einfärbt. Überraschend war jedoch die starke Dominanz des persönlichen Musikgeschmacks», so Senn.

Konsequenzen für die Groove-Forschung

Die Groove-Forschung suchte bisher nach universellen Faktoren, nach musikalischen Eigenschaften, die auf die Mehrzahl der Menschen eine ähnliche Wirkung haben. Die neuen Resultate stellen diesen Ansatz in Frage: Je nach stilistischem oder kulturellem Kontext können es völlig unterschiedliche Faktoren sein, die bei den Menschen den Wunsch auslösen, zu tanzen.

«Die Groove-Forschung muss nun dringend ihre Perspektive erweitern», sagt Senn. «Um zu verstehen, wie eine Person auf Musik reagiert, müssen wir viel mehr über sie wissen: welche Musik sie kennt und mag, mit welcher Musik sie aufgewachsen und in welche Kultur sie eingebettet ist, und ob sie sich grundsätzlich gerne zu Musik bewegt. Unsere nächste Studie wird diese Faktoren berücksichtigen.»

Für einen nächsten Schritt haben die Luzerner Forscher ihren Groove-Fragebogen überarbeitet, um geschmackliche besser von motorischen Reaktionen unterscheiden zu können.

Der neue Fragebogen wird zurzeit im Rahmen einer breit angelegten Umfrage getestet, zu der alle eingeladen sind:

http://www.hslu.ch/groove-questionnaire (Englisch).

Ab 2019 plant das Team eine neue, gross angelegte Studie, die auf kontextuelle Faktoren der Hörerinnen und Hörer sowie das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug fokussieren wird.

cp

Die Projekte zur Erforschung des Groove

Vor sechs Jahren startete das Forschungsteam des Departements Musik der Hochschule Luzern seine Untersuchungen zur Groove-Wahrnehmung. Zunächst widmete es sich der These, wonach Verschiebungen des Bass- und Schlagzeugspiels im Millisekundenbereich, das sogenannte Microtiming, für den Groove mitverantwortlich sind. Die Luzerner Wissenschaftler untersuchten die Regungen von Testpersonen mittels videobasierter Bewegungsverfolgung. Dabei zeigte sich, dass Microtiming zwar durchaus eine Rolle für den Groove spielt, aber nur einen kleinen Teil des Phänomens erklärt.

Im Folgeprojekt, das ebenfalls vom Schweizerischen Nationalfonds SNF gefördert wurde, konzentrierten sich die Forscher auf das Schlagzeug: In einem ersten Teil (2016 bis 2017) suchten sie im Rahmen eines Hörexperiments nach Zusammenhängen zwischen Schlagzeugmustern und Höreindrücken. Weitere Informationen dazu gibt es unter: http://www.hslu.ch/groove. 
In einem nächsten Projekt werden die Musikbiografien der Hörerinnen und Hörer und das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug im Vordergrund stehen.

cp

Weiterführende Links:

Der Direktlink zur Online-Umfrage (Englisch): http://www.hslu.ch/groove-questionnaire

Die Resultate des Schlagzeugprojekts (2016 bis 2017) wurden im Journal der Public Library of Science, «PLoS ONE» veröffentlicht: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0199604

Die Ergebnisse zur Microtiming-Untersuchung (2012 bis 2014) sind in «Frontiers in Psychology» erschienen: http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fpsyg.2016.01487/full

 

 

 

 


 

 

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